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Zweiter Whistleblower in US-Geheimdiensten?

18 September, 2014

Zweiter Whistleblower in US-Geheimdiensten?

Suche nach zweitem Snowden

Die US-Geheimdienste gehen von einer neuen undichten Stelle im Sicherheitsapparat aus. Anlass sind jüngste Enthüllungen über den Anti-Terror-Kampf. Nun beginnt die Suche nach dem mutmaßlichen Whistleblower. Edward Snowden kann es nicht gewesen sein, denn als das Geheimdienst-Papier über die Zusammenstellung amerikanischer Anti-Terror-Listen im August 2013 entstand, hatte der IT-Spezialist seine Arbeitsstelle in Hawaii für die NSA bereits verlassen. Trotzdem wurde das brisante Dokument jüngst öffentlich, und die US-Regierung muss sich fragen: Gibt es einen weiteren Whistleblower im Sicherheitsapparat?

Die Suche nach der undichten Stelle hat jedenfalls begonnen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Regierungskreise in Washington meldet, erwägen Vertreter der Geheimdienste, das US-Justizministerium um die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zu bitten. Zunächst hatte der Nachrichtensender CNN über die Befürchtungen der amerikanischen Behörden berichtet, es könne nach Snowden einen weiteren Informanten in den Reihen der US-Dienste geben. Namentlich nicht genannte Regierungsbeamte sagten CNN, es sei aber unklar, über wie viele Daten der „neue Enthüller“ verfüge. Unklar sei auch, wie viel Schaden das anrichten könnte, berichtete der Sender. Im konkreten Verdachtsfall geht es um ein geheimes Dokument zur Terrorismusabwehr, das an die Enthüllungswebseite „The Intercept“ des US-Journalisten und Snowden-Helfers Glenn Greenwald weitergeleitet worden sei.

Das Papier nennt Details zu den Datenbanken, in denen die US-Behörden Terrorverdächtige führen. „The Intercept“ berichtete zunächst über die teils vagen und willkürlichen Kriterien, nach denen Menschen auf die US-Terrorliste gelangen können. Jetzt veröffentlichte die Website Informationen über das Ausmaß der Datenbanken. Demnach führen die USA mindestens 680.000 Menschen auf einer TSDB (Terrorist Screening Database) genannten Liste als „bekannte oder mutmaßliche Terroristen“. Davon seien 280.000 Menschen aber gar keiner als Terrororganisation eingestuften Gruppierung zugehörig. Als besonders gefährlich eingestufte Verdächtige setzen die Behörden auf die sogenannte No-Fly-Liste, die Betroffene vom Flugverkehr in den Vereinigten Staaten ausschließt. Die Zahl der Namen auf dieser Liste hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama Anfang 2009 mehr als verzehnfacht und liegt bei 47.000. Man kann sehr leicht ins Visier der US-Terrorfahnder geraten. Bereits ein nicht näher zu begründender „angemessener Verdacht“ reicht aus, um auf die Liste potenzieller Extremisten gesetzt zu werden. „Unwiderlegbare Beweise“ oder „konkrete Fakten“ sind nicht nötig, bestimmt das Regelwerk. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie auf der Liste stehen.

Quelle: Magazin2000plus, Printausgabe, September/Oktober 2014, Nr. 358

 

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