Der Staat als Schurke

01 Februar, 2011

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Der Staat als Schurke

 

Sechzig Jahre Bundesrepublik, sechzig Jahre Grundgesetz. Das bedeutet auch: Jahrzehntelang grassierte in Deutschland der RAF-Terror, stemmte sich der Staat mit allen legalen Mitteln dagegen. Doch was bis dato der Bevölkerung – durch den Staat gefiltert – als saubere Aktion der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste präsentiert wurde, bekommt immer stärkere Risse.

extra10-1Hartnäckig recherchierende Journalisten fanden jetzt mit Hilfe amtlicher Dokumente aus den baden-württembergischen Staatsarchiven in Ludwigsburg und Stuttgart heraus, daß der Staat in Sachen RAF nicht immer sauber handelte. Vor wenigen Wochen stieß der Spiegel auf Gesprächsprotokolle, wonach Polizei und Verfassungsschutz Anfang der siebziger Jahre nicht nur Agenten in die Reihen der RAF schleusen, sondern auch Attentate unter der "Marke" RAF verüben wollte.

extra10-2Und tatsächlich: Argo-Autor Udo Schulze fand bei Recherchen zu seinem in Arbeit befindlichen Buch über die RAF und Geheimdienste Dokumente, wonach Drohungen und Bombenattentate stattfanden, die der RAF zugeordnet, offensichtlich von ihr aber nicht begangen wurden. Teilweise sollen die Behörden nach den wahren Tätern nicht einmal ermittelt haben. Im wesentlichen handelte es sich dabei um folgende Fälle:

  • 28.05.72: An diesem Tag geht bei der Zentrale der Deutschen Presseagentur (DPA) in Hamburg ein aus Zeitungsbuchstaben bestehender Brief ein – angeblich von RAF – die für den 2. Juni die Explosion dreier Autobomben mit einer Sprengkraft von je 30 Tonnen TNT in der Stuttgarter Innenstadt ankündigt. Die Explosionen sollen sich zwischen 13 und 14 Uhr ereignen und von „RAF Pionier Sprengexperten“ ausgeführt werden. Unterzeichnet ist der Brief mit „RAF Baden- Württemberg, Kommando 2. Juni“. An besagtem Tag ist die Stadt wie gelähmt, sind die Straßen nahezu leergefegt. Doch nichts passiert. Keine Explosion, keine verdächtigen Autos. Stuttgart atmet auf. Experten finden heraus, daß der Brief in Heidelberg aufgegeben wurde. Speichelreste, etwa an der Gummierung des Umschlags, werden keine gefunden. Die Täter sind bisher unbekannt.

extra10-3Weitaus weniger glimpflich geht die Sache am 7.12.1974 im Bremer Hauptbahnhof aus, wo bei einer Bombenexplosion in einem der Schließfächer fünf umstehende Menschen zum Teil schwer verletzt werden. Täter unbekannt.

  • Am 13.9.1975 geht eine Bombe im Hauptbahnhof von Hamburg hoch. Verletzte gibt es nicht zu beklagen, doch weder gibt es ein Bekennerschreiben noch werden Täter ermittelt.
  • Wenige Wochen später, am 6.10.1975, rückt wieder ein Hbf in den Mittelpunkt des Geschehens, dieses Mal in Nürnberg, wo ein Sprengkörper explodiert und Sachschaden anrichtet. Wieder nennen die Behörden die RAF als Urheber, legen aber keine Beweise vor.
  • In der Nacht zum 12.11.1975 trifft es den Hauptbahnhof von Köln. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Die Ergebnisse bezüglich der Täter – null.
  • Am 7. April 1977 werden der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen zwei Begleiter von Terroristen in Karlsruhe erschossen. Nicht einmal einen Monat später liefern sich die RAF-Angehöri gen Günter Sonnenberg und Verena Becker in Singen am Bodensee eine Schießerei mit der Polizei, in deren Verlauf angeblich die Tatwaffe von Karlsruhe gefunden wird.

Eine Woche lang hat die malerische Stadt am schwäbischen Meer Ruhe, dann finden Experten in einem Schließfach des Bahnhofs eine Paketbombe und entschärfen sie. Auch hier sind die Verursacher bis heute unbekannt.

Doch nicht nur ominöse Drohungen und gefährliche Bombenexplosionen, deren Urheberschaft vorschnell oder von vornherein geplant der RAF zugeschoben wurde, hinterlassen bei der Betrachtung staatlichen Handelns einen faden Beigeschmack. Die Dokumente in den Archiven offenbaren darüber hinaus einen möglichen Verfassungsbruch durch jene, die die Verfassung eigentlich hätten schützen sollen.

extra10-4Deutlich wird das an einem Observationsbericht des baden-württembergischen Landeskriminalamts Anfang der 70er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt stand ein Tübinger Anwalt in dem Verdacht, RAF-Unterstützer zu sein und wurde beobachtet. Entgegen des im Grundgesetz festgelegten Trennungsgebots zwischen Polizei und Geheimdiensten machten LKA und Verfassungsschutz Baden- Württemberg bei der Observation des Advokaten gemeinsame Sache. Mehr noch: Die "polizeiliche Einsatzführung" lag dem amtlichen Bericht nach nicht beim LKA, sondern beim Verfassungsschutz. Zudem waren "Kräfte des LKA" zum Geheimdienst abgeordnet worden, unterstanden diesem also. ...

 

Den vollständigen Artikel finden Sie in der Ausgabe EXTRA 10/289

 

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